Ausstellungseröffnung: Samstag, 16. Juli 2016, 18.15 Uhr
Die Kunstsammlungen Chemnitz präsentieren 15 großformatige Gemälde des Künstlers Hans-Hendrik Grimmling (*1947). Als Protagonist und Widersacher der sogenannten Leipziger Schule setzte er sich sowohl künstlerisch als auch politisch intensiv mit den Handlungsmöglichkeiten in der DDR auseinander, bis er schließlich 1986 nach West-Berlin übersiedelte. Die Chemnitzer Ausstellung skizziert mit Gemälden der frühen neunziger Jahre bis heute Grimmlings kontinuierliche Neupositionierung zu Figuration und Abstraktion – zwei der großen Pole in der Malerei. Das Zusammenspiel der Formen und Motive der Gemälde führt seine Ambitionen im politischen Raum auf der bildästhetischen Ebene fort.
Die künstlerische Arbeit Hans-Hendrik Grimmlings war in den siebziger und achtziger Jahren von zahlreichen Ausstellungs- und Kunstaktionen sowie politischen Initiativen durchzogen. Dabei überschritt Grimmling sowohl in seiner Kunst als auch ausstellungspolitisch von offizieller Seite gesetzte Grenzen. Dieses Motiv der Grenzüberschreitung wird konkret an der Ausstellung „Tangente“ von 1978 deutlich, die von Grimmling gemeinsam mit seinem Freundeskreis entwickelt wurde. Darin forderten und verfolgten die Künstler gezielt einen intermedialen Ansatz. Am Aufgreifen dieses noch jungen Begriffs aus der Kultur- und Medienwissenschaft lässt sich die Relevanz der jungen Leipziger in jener Zeit ablesen. Gleichzeitig steht der Begriff in Grimmlings Œuvre für eine Reflexion der Möglichkeiten und Grenzen des eigenen künstlerischen Mediums: Einerseits konfrontiert mit dem offiziellen Stil der DDR-Ideologie, andererseits getrieben von seinen eigenen Interessen, war die Zeit vor seiner Übersiedelung von einer intensiven Formsuche geprägt.
Das Movens dieser Aushandlung ist dabei auch heute noch fest in Grimmlings Malerei eingeschrieben, welche die große Konstante seines künstlerischen Schaffens darstellt und in der Ausstellung der Kunstsammlungen Chemnitz eine facettenreiche Präsentation findet. In den Gemälden des Künstlers erscheinen immer wieder verknotete Formen, „gordische knoten“, die sich zwischen figurativen Abstraktionen und abstrakten Figurationen bewegen. Ähnlich ambivalent verhalten sich die Titel zum Werk: Sie bezeichnen das Dargestellte jedoch in poetisch metaphorischer Sprache, wodurch dem Betrachter ein Interpretationsspielraum offen bleibt. Dadurch formieren sich auf seinen Gemälden hybride Zeichen, die zugleich lesbares Symbol (Flügel, Fächer, Segel oder Kreuze), gegenständliches Motiv (Hände und Gesichter) und abstrakte Form sind. Die Mehrdeutigkeit, die sich daraus immer wieder ergibt, ist Ausdruck einer existenzialistischen Suche nach individueller Repräsentation, die Abbild und Imagination verbindet.
In Zwenkau bei Leipzig geboren, studierte Hans-Hendrik Grimmling zunächst in Dresden und ab dem zweiten Studienjahr an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig (1970–1974) im Umfeld der Leipziger Schule, wie von Bernhard Heisig, Werner Tübke und Wolfgang Mattheuer. Neben diskursiven Auseinandersetzungen an der Hochschule wurde sein Freundeskreis zunehmend wichtiger. Als Korrektur der offiziellen Ausstellungspolitik planten sie 1977 in Leipzig die Ausstellung „Tangente“ und realisierten 1984 den „1. Leipziger Herbstsalon“. Sein Ideal des autonomen Handelns führte Grimmling in der DDR in eine Sackgasse und zur Übersiedelung in die BRD. Trotz der veränderten Rahmenbedingungen weist Grimmlings Werk in Thematik und Gestus eine deutliche Konstante auf. Seine formalästhetischen Bildfindungen sind von hoher Eindringlichkeit. Als Vorbild kann hinsichtlich seiner Verbundenheit mit dem Schwarz sowie seiner Symbolik Max Beckmann angeführt werden. Auf den Engländer Francis Bacon verweisen Grimmlings Verankerung im Gegenständlichen einerseits und andererseits seine figurativen Entfremdungen.